Haftungsfragen und Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall

von Daniel Ostermann
August 29, 2023

Jeden Tag passieren zahlreiche Unfälle im Straßenverkehr, sowohl zwischen Kraftfahrzeugen (PKW, LKW, Motorrad), aber auch zwischen Kfz und Fahrradfahrern bzw. Fußgängern. Nachdem der Unfall beseitigt wurde, stellt sich für die Betroffenen die Frage nach Ihren Ansprüchen und Ihrer Haftung.

Dieser Beitrag befasst sich im Überblick mit den Haftungsfragen und der Schadensregulierung und geht dabei vom Regelfall, dem Unfall zwischen zwei oder mehreren Kraftfahrzeugen aus. Auf Unterschiede zu Unfällen mit Fahrradfahrern und Fußgängern wird an entsprechender Stelle hingewiesen.

Die Beteiligten eines Unfalls und der Schadensregulierung

Die Beteiligten eines Unfalls sind Halter und / oder Fahrer der jeweils beteiligten Fahrzeuge bzw. beteiligte Fahrradfahrer und Fußgänger. Im Falle eines Kraftfahrzeuges als Unfallbeteiligter ist auch die Kfz-Haftpflichtversicherung Beteiligter bei der Abwicklung des Verkehrsunfalles.

Die Haftung dem Grunde nach

Die Haftung dem Grunde nach ergibt sich für die Unfallbeteiligten aus folgenden Vorschriften:

Kfz-Halter: §§ 7 I, 16 StVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB (Gefährdungshaftung)

Kfz-Fahrer: §§ 18 I, 16 StVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB (Verschuldenshaftung)

Kfz Haftpflichtversicherung: § 115 I Nr. 1, 4 VVG i.V.m. § 1 PflVG (Direktanspruch gegen Versicherung zusätzlich zum Anspruch gegen Halter und / oder Fahrer und gesamtschuldnerische Haftung mit diesen)

Sollte ein Fahrradfahrer oder Fußgänger Unfallbeteiligter sein, so ergibt sich deren Haftung aus den §§ 823 ff., 249 ff. BGB (Auch hier kann die Haftpflichtversicherung des Fahrradfahrers bzw. des Fußgängers an der Schadensregulierung beteiligt sein, allerdings besteht gegen diese kein Direktanspruch, sodass Anspruchsgegner weiterhin der Fahrradfahrer bzw. Fußgänger bleibt).

Sollte die Haftung dem Grunde nach, d.h. insb. der Unfallhergang streitig sein, so können durch Sachverständige Unfallrekonstruktionsgutachten erstellt werden, die dann den Unfallhergang klären und darstellen.

Die einzelnen Schadenspositionen

Bei einem Verkehrsunfall entstehen diverse Schadenspositionen, die vom jeweiligen Einzelfall abhängen. Die gängigsten Schadenspositionen sind: Reparaturkosten, Merkantiler Minderwert, Nutzungsausfall bzw. Mietwagenkosten, Sachverständigenkosten, Allgemeine Kostenpauschale, sowie die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes.

Sollte es zu Personenschäden gekommen sein, so kommen i.d.R. folgende Schadenspositionen hinzu: Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld, Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden.

Reparaturkosten: Bei den Reparaturkosten handelt es sich um die Kosten, die notwendig sind, um das verunfallte Fahrzeug wieder vollständig zu reparieren und in den Zustand zu versetzen, in welchem es sich vor dem Unfallereignis befand. Diese können entweder auf „Gutachtenbasis“ oder nach erfolgter Reparatur geltend gemacht werden. Bei der Abrechnung auf „Gutachtenbasis“ werden nur die Netto-Reparaturkosten ausweislich des Gutachtens abgerechnet, denn eine Pflicht zur Reparatur besteht nicht. Werden die Reparaturkosten nach erfolgter Reparatur abgerechnet, so werden die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten geltend gemacht. Sollten die voraussichtlichen Reparaturkosten jedoch 130 % des Wertes des Fahrzeuges übersteigen, so ist dem Geschädigten lediglich der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges abzgl. des Restwertes zu ersetzen. Zu dieser sog. „130 %-Rechtsprechung“ gibt es jedoch diverse Besonderheiten und Ausnahmen, die im jeweiligen Einzelfall anwaltlich geprüft werden müssen. Weiter gibt es bzgl. der Reparaturkosten zahlreiche einzelne Besonderheiten, die im jeweiligen Einzelfall durch einen Anwalt geprüft werden müssen, wie z.B.: Abzug Neu für Alt, Reparatur in Markenwerkstatt vs. Reparatur in freier Werkstatt, Ersatzfähigkeit von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten, u.v.m.

Merkantiler Minderwert: Der merkantile Minderwert berücksichtigt, dass ein einmal verunfalltes Fahrzeug trotz Reparatur weiterhin ein Unfallfahrzeug bleibt, was dazu führt, dass bei einem Wiederverkauf nicht mehr derselbe Preis erzielt werden kann, als wenn das Fahrzeug unfallfrei wäre. Dieser Wert wird durch einen Sachverständigen im Rahmen der Erstellung des Unfallgutachtens aufgrund verschiedener Faktoren ermittelt.

Nutzungsausfall bzw. Mietwagenkosten: Während der Dauer der Reparatur steht dem Geschädigten sein Fahrzeug nicht zur Verfügung. Weist er in der dieser Zeit einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit auf, so kann er entweder einen täglichen Nutzungsausfall geltend machen, der vom Sachverständigen anhand verschiedener Faktoren ermittelt wird. Oder der Geschädigte nutzt während der Reparaturdauer einen mit seinem Fahrzeug vergleichbaren Mietwagen und macht die Mietwagen-Kosten geltend.

Sachverständigenkosten: Ebenfalls zu ersetzen sind die Kosten des Sachverständigen, die für die Erstellung des Gutachtens anfallen, da diese sog. Schadensermittlungskosten darstellen. Dabei ist zu beachten, dass nach der ständigen Rechtsprechung bei Bagatellschäden (bis ca. 750,00 €) eine Beauftragung eines Sachverständigen nicht als erforderlich angesehen wird und daher die Kosten nicht ersatzfähig sind. Allerdings führen selbst kleine Beschädigungen, gerade bei modernen Fahrzeugen oftmals zu hohen Kosten, sodass die Bagatellgrenze i.d.R. überschritten ist.

Allgemeine Kostenpauschale: Die allgemeine Kostenpauschale beträgt nach der ständigen Rechtsprechung 25,00 € und deckt die Kosten für Kommunikation und Korrespondenz ab, die durch das Unfallereignis entstanden sind.

Rechtsanwaltskosten: Die Rechtsanwaltskosten sind dann vom Unfallgegner zu ersetzen, wenn diese erforderlich sind, d.h. ähnlich wie bei den Sachverständigenkosten sind diese dann nicht ersatzfähig, wenn die Haftungsfrage und die Schadenshöhe eindeutig sind und es keiner Klärung bedarf. Da jedoch wie bereits aufgezeigt, die Rechtslage und Rechtsprechung bei Verkehrsunfällen oftmals nicht eindeutig ist, ist die Beauftragung eines Rechtsanwaltes regelmäßig erforderlich und die Rechtsanwaltskosten somit i.d.R. ersatzfähig.

Heilbehandlungskosten: Sollte es bei einem Unfall zu Personenschäden kommen, so sind grds. auch die Kosten ersatzfähig, die für die Heilbehandlung anfallen und nicht von der Krankenkasse übernommen werden, dabei handelt es sich insb. um Zuzahlungen zu Behandlungen, sowie Fahrtkosten von und zu Behandlungen.

Schmerzensgeld: Eine zentrale Schadensposition bei Personenschäden ist das Schmerzensgeld nach § 253 BGB. Beim Schmerzensgeld handelt es sich um eine immaterielle Schadensposition, die das erlittene Leid kompensieren soll. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig und berücksichtigt eine Kompensations- und Genugtuungsfunktion, d.h. es werden sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, insb. Art und Intensität, sowie Dauer der erlittenen Verletzungen und die Auswirkungen auf die Lebensumstände des Geschädigten, sowie das Verschulden und die Schwere der Pflichtverletzung durch die Gegenseite. Die Bemessung und Geltendmachung sollte durch einen Rechtsanwalt erfolgen.

Verdienstausfall: Sollte aufgrund der erlittenen Verletzungen eine Arbeitsunfähigkeit bestehen, so erhält der Geschädigte grds. für die ersten sechs Wochen nach dem Unfallereignis eine Entgeltfortzahlung nach § 3 EntgFzG i.H.v. 100 % des Lohnes. Nach Ablauf der sechs Wochen erhält der Arbeitnehmer Krankengeld nach dem SGB V von der Krankenkasse i.H.v. grds. 70 % seines Lohnes. Die Differenz stellt den Verdienstausfallschaden dar, der ebenfalls ersatzfähig ist.

Haushaltsführungsschaden: Sollte aufgrund der erlittenen Verletzungen es dem Geschädigten nicht mehr möglich sein, den Haushalt selbst zu führen, so steht diesem grds. die Geltendmachung eines Haushaltsführungsschaden zu, damit der Haushalt durch Dritte erledigt werden kann. Die Bemessung und Durchsetzung des Haushaltsführungsschaden in der Praxis hat sehr hohe Anforderungen, sodass dies durch einen Rechtsanwalt erfolgen sollte, da es auch hier auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt.

Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Schadenspositionen, abhängig vom jeweiligen Einzelfall, wie z.B. Abschleppkosten, An- und Abmeldekosten bei Neuanschaffung, sowie der Verlust von Schadensfreiheitsrabatten bei Abrechnung des Unfalls über die eigene Vollkaskoversicherung, u.s.w. Bei einer Prüfung durch einen Rechtsanwalt werden alle angefallenen Schadenspositionen berücksichtigt, geprüft und anschließend geltend gemacht.

Anspruchskürzendes Mitverschulden

In den wenigsten Fällen ist ein Beteiligter allein für den Unfall verantwortlich, meist liegt ein Verschulden auf beiden Seiten vor, was ebenfalls zu berücksichtigen ist und zu einer Kürzung der eigenen Ansprüche führt (§ 254 BGB, § 9 StVG).

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt das Verhalten im Straßenverkehr und meist führen Verstöße hiergegen zu Unfällen, die dann das Verschulden bzw. Mitverschulden darstellen. Die StVO enthält auch Regelungen für Radfahrer für Fußgänger.

Daneben ist auch die sog. Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die mit 20 % anzusetzen ist und grds. nur dann entfällt, wenn auf der Gegenseite ein massives Verschulden vorliegt, was allein zum Unfall geführt hat. Die Betriebsgefahr eines Fahrradfahrers und Fußgängers ist geringer anzusetzen.

Bei Beteiligung mehrerer Kraftfahrzeuge wird nach § 17 StVG eine Quotelung unter Berücksichtigung von Betriebsgefahr und Verursachungsbeitrag vorgenommen. Hier gibt es diverse Anscheinsbeweise, die für oder gegen ein eigenes Verschulden sprechen, sodass hier eine anwaltliche Prüfung und Beratung notwendig ist.

Durchsetzung der Ansprüche

Wie bereits dargelegt, besteht ein Direktanspruch gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des Gegners, sodass die Regulierung durch diese erfolgt. Bei Fahrradfahrern und Fußgängern erfolgt die Regulierung i.d.R. ebenfalls durch deren Haftpflichtversicherung allerdings besteht in diesen Fällen kein Direktanspruch gegen die Versicherung.

Sollte eine gerichtliche Durchsetzung notwendig sein, so ist ab einem Streitwert von mehr als 5.000,00 € das Landgericht, ansonsten das Amtsgericht sachlich zuständig. Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit kommen neben den allgemeinen Gerichtsständen der Gerichtsstand des Schadens- bzw. Unfallortes in Betracht (§ 32 ZPO, § 20 StVG).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall vom jeweiligen Einzelfall abhängt und diverse Besonderheiten aufweist, sowohl bzgl. der Haftung dem Grunde nach, als auch bezüglich der einzelnen Schadenspositionen, sodass diese zwingend durch einen Rechtsanwalt erfolgen sollte, insb. weil die Kosten hierfür von der Gegenseite zu tragen sind und daher ein geringes Kostenrisiko für den Geschädigten besteht.

Daher beraten und vertreten wir Sie gerne in allen Themen rund um das Verkehrsrecht und den Verkehrsunfall und setzen Ihre Ansprüche für Sie durch und kümmern uns für Sie um die Schadensregulierung. Kontaktieren Sie uns, wir freuen uns auf Sie.

Daniel Ostermann

Daniel Ostermann gründete nach Erlangen des 1. und 2. Juristischen Staatsexamens zum 01.07.2023 die Kanzlei Rechtsanwalt Ostermann.

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